Page 72 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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b) Lichtraumprofil

         Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 17. 5. 1994 deutlich gemacht, dass es keine recht-
         liche Vorschrift gibt, welche besagt, dass der Luftraum über einer Straße in jedem Fall bis zu einer Höhe
         von 4 m frei von Hindernissen und speziell von Baumästen gehalten werden muss. Die Höhenbegrenzung
         von Fahrzeugen auf 4 m in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ist keine solche Vorschrift.
         Es gilt vielmehr die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, und diese richtet sich insbesondere nach der
         Höhe des Verkehrsaufkommens.
         Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm lag folgender Fall zugrunde. Ein Möbel-Lkw hatte auf
         einer innerörtlichen Wohnstraße in Essen einen leicht in die Fahrbahn geneigten Stamm einer Platane in
         3,50 m Höhe gestreift. Den hierbei entstandenen Schaden an dem Lkw sollte die beklagte Stadt wegen
         Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht ersetzen. Das Landgericht Essen wies jedoch die Klage des
         Geschädigten ab. Nach Ansicht des Gerichts hätte der Fahrer des Möbel-Lkw dem erkennbaren Hindernis
         ausweichen müssen. Es bestehe keine generelle Pflicht, den Luftraum über der Straße in 4 m Höhe frei-
         zuhalten. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Lichtraumprofils richte sich jeweils
         nach der Verkehrsbedeutung der Straße.

         Das  Oberlandesgericht  Hamm  bestätigte  dieses  Urteil  des  Landgerichts  Essen  unter  grundsätzlichen
         Überlegungen zur Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Lichtraumprofils:

         „Zwar umfasst die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen nach anerkannter Rechtsprechung
         grundsätzlich auch den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, deren Stämme oder Äste
         in den Luftraum über die Fahrbahn ragen und zu Beschädigungen an Fahrzeugen mit hohen Aufbauten
         führen können. Dabei sind jedoch die an den Sicherungspflichtigen zu stellenden Anforderungen nicht
         für alle Straßen gleich hoch bemessen.
         Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 StVZ, wie das Landgericht zutreffend aus-
         geführt hat. Die in dieser Regelung festgesetzte Höhenbegrenzung der Fahrzeuge auf vier Meter betrifft
         eine zulassungsrechtliche Bauvorschrift und besagt nicht, dass der Luftraum über einer Straße in jedem
         Fall bis zu dieser Höhe frei von Hindernissen – und damit auch von Baumstämmen und Ästen – gehal-
         ten werden muss (BGH VersR 68, 72; ständige Rspr. des Senats, zum Beispiel 9 U 113/91; so auch OLG
         Schleswig VersR 94, 359; OLG Köln VersR 91, 1265).






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