Page 69 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Wie im Gegensatz dazu die konkrete Gefahr zu beurteilen ist, hat das VG Düsseldorf in einem Urteil vom
         4. Mai 1994 im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei geschützten Bäumen – vergleichbar
         mit dem genannten Urteil des OVG Münster – ausgeführt. Danach setzt eine konkrete Gefahr voraus, dass
         der Eintritt eines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Wann diese Wahrschein-
         lichkeit im Zusammenhang mit der Vorhersehbarkeit von Schäden durch Bäume vorliegt, beurteilte das
         Verwaltungsgericht nach baumfachlichen Aspekten, in diesem Fall mit Hilfe von VTA.

         Ebenso hatte das OLG Düsseldorf in dem bereits zitierten Urteil vom 27. Oktober 1994 zum Astausbruch
         aus einer Pappel entschieden, dass sich eine  Verletzungsgefahr nicht bereits durch die  „generelle
         ‚Ungeeignetheit‘ einer Baumart“ manifestiere, sondern „erst durch die konkrete Gefahr, die von einem
         Baum ausgeht.  Allein der ‚soziale  Abstieg‘ indiziert eine solche Maßnahme (hier: prophylaktischer
         Kronenrückschnitt, Anm. d.Verf.) nicht, konkrete weitere Anhaltspunkte müssen hinzukommen.“ (Siehe
         hierzu die BGH-Entscheidung III ZR 352/13, vom 6. März 2014)


               Höhere Gewalt ab Windstärke 8?


         Die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen endet in jedem Fall dort, wo der durch den Baum ein-
         getretene Schaden auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Über das  Vorliegen höherer Gewalt im
         Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen herrscht nicht nur bei den Praktikern vor
         Ort manchmal Unsicherheit. Falsch ist die Annahme, dass es sich bei Unfällen ab Windstärke 8 bereits um
         höhere Gewalt handle, die allgemein von der Haftung entbinde. Die Konsequenz dieser Ansicht würde
         dazu führen, dass für einen erkennbar bruchgefährdeten Baum keine Haftung bestünde, sofern er bei
         Sturm ab Windstärke 8 versagt. Jeder Verkehrssicherungspflichtige könnte also insgeheim darauf hoffen,
         dass ein Sturm über Windstärke 8 aufkommt und er wäre aller Pflichten für die unsicheren Kandidaten
         unter seinen Bäumen enthoben.
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