Page 71 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Verkehrssicherungspflicht und Lichtraumprofil


         a)  Das ökologische Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes

         Die Urteile zur Freihaltung des Lichtraumprofils über der Straße fallen in der Regel unter die als baum-
         freundlich zu bezeichnende Rechtsprechung. Das zeigt bereits ein Urteil des OLG Schleswig vom 7. April
         1993.

         Auf einer Straße von geringer Verkehrsbedeutung am Ortsrand von Kiel war ein Lkw gegen einen unter-
         halb von 4 m Höhe in die Fahrbahn ragenden Ast gestoßen und beschädigt worden. Das Gericht vernein-
         te eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der beklagten Stadt, weil die Straße in dem abgelege-
         nen Vorort erfahrungsgemäß überwiegend den Anliegern diene und der Lkw-Fahrer den deutlich in die
         Fahrbahn ragenden Ast habe erkennen und ihm ausweichen können. Das Gericht fordert in dem Urteil
         sogar von dem Lkw-Fahrer, dass er bei Entgegenkommen eines anderen Fahrzeugs seine Geschwindigkeit
         weiter hätte verringern und notfalls anhalten müssen, falls er einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu
         dem Baum nicht hätte einhalten können. Entscheidende Bedeutung kommt der nachfolgenden Passage
         aus den Urteilsgründen zu:
         „Die Verkehrssicherungspflicht erfordert es nicht, den Luftraum über einer Straße schlechthin in der nach
         den §§ 32 Abs. 1 Nr. 2 StVZO, 22 Abs. 2 StVO für Fahrzeuge geltenden maximal zulässigen Höhe von
         4 m freizuhalten …. Wie in den letzten Jahren zunehmend ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist,
         besteht an der Erhaltung des Baumbestandes auch an öffentlichen Straßen ein allgemeines Interesse, so
         dass zwischen den Belangen der Verkehrssicherheit und dem ökologischen Interesse an der Erhaltung
         des Baumbestandes abzuwägen ist. . . .

         Hierbei ist den ökologischen Interessen an Straßen von nur geringer Verkehrsbedeutung in höherem Maß
         Rechnung zu tragen, als an Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung. . . .

         Bestimmend für die Verkehrsbedeutung sind die Umstände des Einzelfalles, die Art und das Maß der
         Verkehrssicherungspflicht nach den gegebenen Verkehrsverhältnissen wie nach der Art des Weges, sei-
         ner Verkehrswichtigkeit, der Größe einer Ortschaft und ähnlichem festlegen.“
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