Page 64 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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schnell wie ein Bumerang – führt nämlich erst die Argumentation des OLG Brandenburg, denn in der
         Folge müssten im alleenreichen Brandenburg sämtliche hohen Bäume, wie sie tausendfach die Straßen
         säumen, mit dem Hubwagen untersucht werden. Dies ist wirtschaftlich absolut unzumutbar. Die
         Verkehrssicherungspflicht besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH „nicht uneinge-
         schränkt (Aktuelle BGH-Entscheidungen zur Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen: VI ZR 311/11, vom
         2. Oktober 2012 und III ZR 352/13, vom 6. März 2014). Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des
         Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt.“ Das OLG
         Brandenburg hat die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Baumkontrollen bei seiner Entscheidung völlig
         außer Acht gelassen.

         Richtig war nur der Ansatz des Gerichts, dass es dem exponierten Standort des Baumes besondere
         Bedeutung zugemessen hat. Die Linde stand unmittelbar an einem Fußgängerüberweg zum Sportstadion.
         Dann gilt eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht, auch wenn ein Pkw beschädigt wurde. Ebenfalls richtig
         war der Ansatz des Gerichts, nach Anhaltspunkten für die Erkennbarkeit von Schäden an der Linde zu
         suchen, wobei es immer auf die Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts ankommt und nicht darauf, was
         man nach dem und durch den Unfall in Erfahrung bringt. Hier ist das Gericht jedoch einen sehr um-
         strittenen Weg gegangen, denn es hat von dem Zustand der umgebenden Bäume auf den Zustand des
         streitbetroffenen Baumes geschlossen. Das ist nicht ohne weiteres zulässig. Vor allem durfte das Gericht
         nicht den Bericht des beklagten Landes für die betreffende Straße zum Beweis heranziehen, in dem
         stand: „Totholzschnitt erforderlich“. Durch das Vorhandensein mehrerer Bäume mit Totholz in der Umge-
         bung und der erforderlichen Anordnung der Sicherung durch Schnittmaßnahmen sind die notwendigen
         Anhaltspunkte für eine eingehende Untersuchung des speziellen Baumes, aus dem der Astausbruch
         erfolgte, noch nicht gegeben. Jeder Baum entwickelt sich anders auch innerhalb eines Bestandes und erst
         recht an einer Straße, wo innerhalb kürzester Entfernung die Standortbedingungen wechseln.
         Wenn das Gericht als unstreitig feststellt, dass vom Boden aus bei dem streitbetroffenen Baum Totholz
         nicht unbedingt erkennbar war, also keine besonderen Verdachtsmomente ersichtlich waren, so kann es
         solche Verdachtsmomente nicht allein aus dem Zustand der Nachbarbäume konstruieren.

         Das Urteil des OLG Brandenburg vom 7. März 2000 ist vor dem Hintergrund der von der Rechtspre-
         chung vor allem des BGH festgelegten Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht als Fehlurteil anzu-
         sehen. In einem erneuten, ähnlich gelagerten Fall sollte eine klärende Entscheidung des BGH herbei-
         geführt werden (siehe hierzu die BGH-Entscheidung III ZR 352/13, vom 6. März 2014), weil das Urteil



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