Page 65 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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des OLG Brandenburg der Rechtsprechung von drei anderen Oberlandesgerichten widerspricht. Die
         Urteile des OLG Düsseldorf und Köln wurden bereits zitiert, aber auch das OLG Hamm ist in mehre-
         ren Urteilen davon ausgegangen, dass der Einsatz eines Hubwagens nicht zur Regelkontrolle gehört
         und dann nicht gefordert werden kann, wenn äußerlich an dem betreffenden Baum keine verdächti-
         gen Umstände vom Boden aus erkennbar sind. In diese Richtung hat auch das OLG Celle in einem
         Urteil vom 17. April 2002 entschieden, wenn es im Leitsatz seines Urteils feststellt: „Eine eingehende
         fachmännische Untersuchung ist nur dann erforderlich, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung
         nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten. Wies ein Baum insoweit keine Auffälligkeiten auf, haf-
         tet die Gemeinde auch dann nicht für die Beschädigung eines Kfz durch Bruch eines Kronenastes, wenn
         wegen der Besonderheiten des Baumbestandes (hier: Platanen) bei der Sichtkontrolle eine mögliche
         Erkrankung oder Schädigung der Baumkrone nicht festgestellt wurde.“

         Auf das Fehlurteil des OLG Brandenburg berufen sich heute bereits viele Geschädigte, wenn es darum
         geht, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Baumeigentümers darzulegen. Es gab auch schon
         früher Ansätze zu einer derartigen überzogenen Rechtsprechung in Thüringen, wo das OLG Jena in einem
         Urteil vom 20. 9. 1994 in seinen Leitsätzen zur Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde für Risiko-
         bäume feststellte:
         „1. Die Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde verpflichtet zur konkreten Überprüfung von Bäumen,
         von denen eine besondere Gefährdung ausgeht.

         2. Dabei gehört zu den zumutbaren Maßnahmen bei solchen Risikobäumen (hier: 20 m hohe und 60
         Jahre alte Linde in der Nähe eines Friedhofseinganges) das Anstellen einer Leiter oder die Benutzung
         eines Hubwagens, um festzustellen, dass keine konkrete Gefährdung des Verkehrs besteht, z. B. durch in
         der Baumkrone befindliche, morsche Äste. Eine Überprüfung auf Sicht ist nicht ausreichend.“

         Selbst das zeitweise sehr baumfreundliche OLG Koblenz hat in einer neueren Entscheidung die
         Verpflichtung einer Gemeinde zum Einsatz eines Hubwagens bei der Baumkontrolle gefordert und die
         bloße Sichtkontrolle vom Boden aus für nicht ausreichend erklärt. In diesem Zusammenhang muss noch-
         mals darauf hingewiesen werden, dass die Sichtkontrolle bei großen Bäumen mit einem Fernglas durch-
         geführt werden muss. Werden ohne Fernglas Defekte übersehen, die mit dem Fernglas hätten festgestellt
         werden können und die für einen späteren Unfall ursächlich sind, so ist dem Baumkontrolleur Fahr-
         lässigkeit vorzuwerfen.
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