Page 23 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Erfahrung steigert die Qualität nicht
Pflasterarbeiten sind nicht kreativ
VK Brandenburg (Beschl. v. 23.02.2018, Az.: VK 1/18)
Wenn ein Handwerker mehr Erfahrung hat, wird er auch bessere Arbeit abliefern, dachte sich ein Auftrag-
geber, der unter anderem Pflasterarbeiten bei der Herstellung der Außenanlagen einer Schule vergeben
wollte. Also erdachte er einige Zuschlagskriterien, wie die Berufserfahrung oder die Betriebszugehörigkeit
des Personals, die zu insgesamt 20% in die Zuschlagswertung eingehen sollten. Er berief sich dabei auf
die Neufassung der VOB/A-EU, in deren § 16 Abs. 2 Nr. 2 es heißt: „Zuschlagskriterien können insbeson-
dere sein: … b) Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten
Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftrag-
sausführung haben kann“. Diesen Einfluss sieht er bei seinem Auftrag gegeben.
Ein Bieter hingegen erachtet derartige Zuschlagskriterien für vergaberechtswidrig. Er verweist auf das Ur-
teil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2008 (Rs. C-523/06), der klargestellt habe, dass
für den Zuschlag solche Kriterien nicht in Frage kommen, die sich mit der Eignung des Bieters befassen.
Die Qualität und Erfahrung des Personals seien jedenfalls eindeutig keine auftrags-, sondern unterneh-
mensbezogene Kriterien und fallen daher in die Rubrik „Eignung“. Wie lässt sich das nun mit der oben
zitierten VOB/A-Bestimmung in Einklang bringen?
Die Vergabekammer löst die Frage wie folgt: Sie zieht den 94. Erwägungsgrund der neuen europäischen
Vergaberichtlinie heran, der die Grundlage auch für die VOB/A-Bestimmung bildet. Danach bezieht sich
diese Ausnahme ausdrücklich auf geistig-schöpferische Leistungen. Sie öffnete diese Tür keinesfalls für
alle Ausschreibungen. Die in Rede stehenden Pflasterarbeiten erforderten aber nicht mehr als das, was ein
Pflasterer in seiner Ausbildung allgemein gelernt habe. Eine besondere schöpferisch-kreative Anforderung
ist hier nicht zu erkennen, weswegen das Kriterium der Personalqualität für den Zuschlag nicht verwertet
werden darf.