Page 22 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Die Lücke zählt nicht
Über die Abrechnung von Fahrbahnmarkierungen
LG Wiesbaden (Urt. v. 21.02.2018, Az.: 5 O 211/16)
In der Autobahnbaustelle sollte zunächst auf drei Kilometern Länge eine vorläufige Markierung mit einem
durchgehenden Strich aufgebracht werden, nach Fertigstellung der Arbeiten sodann eine Markierung mit
unterbrochenem Strich von jeweils 6 Metern Strichlänge und 12 Metern Lücke. Im Leistungsverzeichnis
hatte der Auftraggeber für die beiden Markierungen unterschiedliche Vergütungs regeln vorgesehen. Für
die provisorische Markierung gab er die Gesamtlänge an, für die endgültige Markierung wies er darauf
hin, dass nur der Strich bezahlt werde, die Lücke aber nicht. Das hat einen Bieter verwirrt, der daraufhin
die vorläufige Markierung zu günstig angeboten hat. Dieses günstige Angebot erbrachte ihm schließlich
den Zuschlag.
Bei der Abrechnung weist der Bieter darauf hin, dass die vorläufige Markierung ja die dreifache Strichlän-
ge hatte wie die endgültige, weil erstere ja keine Lücken enthält. Deswegen wolle er den Mehraufwand
zusätzlich vergütet haben. Er wies dabei auf allerlei Normen und Abrechnungsregeln hin, die er seinem
Angebot zu Grunde gelegt haben will, und die allesamt seine Kalkulation und seine Nachforderung stüt-
zen würden.
Doch das hilft ihm nicht weiter. Das Landgericht Wiesbaden bescheinigt ihm, dass all diese Vorschriften
nichts anderes seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen, die selbst dann, wenn sie vereinbart gewesen
wären, von der konkreten Einzelfallvereinbarung im Leistungsverzeichnis, die andere Abrechnungsregeln
aufgestellt hatte, verdrängt würden. Die Vergütungsabrede sei nach dem objektiven Empfängerhorizont
eines potentiellen Bieters auszulegen. Für einen solchen ergebe sich aus dem Leistungsverzeichnis und
dem Verkehrszeichenplan eindeutig, in welcher Weise die Abrechnung vorzunehmen sei. Weder der Um-
stand, dass der Bieter bei seiner Kalkulation von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei, noch die
bisherige Praxis, dass bei früheren Aufträgen andere Abrechnungsmodalitäten vereinbart waren, verschaf-
fe ihm nachträglich einen Anspruch auf einen höheren Werklohn.
ESD
2019