Page 19 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Kostenschätzung war zu alt


         Keine rechtmäßige Aufhebung mangels Finanzierbarkeit

         VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 15.01.2018, Az.: 3 VK LSA 100/17)

         Die Gemeinde wollte rund eineinhalb Kilometer Mischwasserkanal und zugleich in diesem Bereich die
         Straßendecke erneuern. Dafür beauftragte sie ein Ingenieurbüro mit der Vorplanung und der Kostener-

         mittlung. Das Ingenieurbüro legte im Sommer 2016 eine Kostenschätzung vor, welche die Grundlage für
         die Bereitstellung der Haushaltsmittel bildete. Ein Jahr später schrieb sie die Leistung auf der Grundlage
         dieser Kostenschätzung aus. Allerdings erhielt sie nur solche Angebote, die diese Schätzung deutlich über-
         stiegen. Sie hob die Ausschreibung mangels Finanzierbarkeit auf. Ein Bieter möchte die Rechtswidrigkeit

         dieser Aufhebung feststellen lassen.

         Die Vergabekammer gibt ihm Recht. Sie überprüft die Kostenschätzung und stellt fest, dass die Preise von
         2016 bis zur Ausschreibung nicht fortgeschrieben worden waren. Damit war die Grundlage der Ausschrei-
         bung nicht mehr aktuell. Ein Auftraggeber, der eine Ausschreibung auf eine veraltete Kostenschätzung
         stützt, lässt die erforderliche Sorgfalt vermissen. Die Überschreitung der Schätzkosten ist also auf seinen

         eigenen Fehler zurückzuführen, was eine Aufhebung aus schwerwiegendem Grund unmöglich macht: Der
         Grund darf nämlich gerade nicht im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen.

         Zwei Blätter in der Vergabeakte wurden dem Auftraggeber vor allem zum Verhängnis. Einmal die nach-
         geschobene Erklärung des Ingenieurbüros, es habe zur Kostenermittlung die Marktpreise von 2015 bis
         2017 herangezogen – obwohl die Schätzung bereits 2016 erfolgte. Das hat die Glaubwürdigkeit der

         Einlassungen des Büros nachhaltig beschädigt. Zum anderen eine interne E-Mail des Auftraggebers, in
         der er von der künftigen Notwendigkeit spricht, die eigenen Mitarbeiter darauf zu schulen, was unter
         einer „aktuellen Kostenschätzung“ zu verstehen sei. Dies hatte der Vergabekammer gezeigt, dass sich der
         Auftraggeber bewusst war, dass bei seinen Mitarbeitern genau hier Defizite vorhanden waren.
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