Page 9 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Mehr Stahl verbaut als geschätzt


         Folgekosten des Mehraufwandes muss der Auftragnehmer tragen

         OLG Celle (Beschl. v. 05.03.2017, Az.: 14 U 42/14)

         Für die Errichtung einer Straßenbrücke machte der Auftraggeber folgende Vorgaben: „Betonstahl entspre-
         chend statischen und konstruktiven Erfordernissen einbauen. Menge: 45 to.“ Statik und Konstruktions-

         konzept waren vom Auftragnehmer zu erarbeiten. Im Endausbau verbaut wurden jedoch 62 to. Beweh-
         rungsstahl. Die Begleichung der Kosten für diese Stahlmehrmenge war unstrittig. Sie war für die nötige
         Festigkeit der Konstruktion erforderlich, weil auf gleichem Raum eine stärkere Bewehrung eingebracht
         werden musste.

         Für den erhöhten Arbeitsaufwand, der sich aus der größeren Stahlmenge ergab, begehrt der Auftragneh-

         mer im Nachgang jedoch fast 100.000 EUR, u. a. wegen Mehraufwandes für die Verschalung und die
         längere Standzeit des Gerüstes. Er beruft sich dabei auf den vermeintlichen Vordersatz von 45 to., den er
         als verbindliche Vorgabe des Leistungsverzeichnisses ansieht. Der Auftraggeber hingegen meint, mit der
         Forderung wolle der Auftragnehmer lediglich seine Mindereinnahmen ausgleichen, die ihm daraus ent-

         standen seien, dass er sich bei seiner Kalkulation blind auf den Vordersatz verlassen habe und deswegen
         einen besonders niedrigen Preis geboten habe.

         Das OLG Celle weist die Ansprüche des Klägers schließlich zurück. Die Ausschreibung entspreche in die-
         sem Punkt einer zulässigen funktionalen Ausschreibung. Die entsprechende Position im Leistungsver-
         zeichnis habe dem Bieter die Verantwortung für Statik und Konstruktion zugewiesen. Wenn es dem Bieter

         zu aufwändig gewesen war, schon vor Angebotserstellung die Statik im Detail zu berechnen, müsse er das
         Risiko hinnehmen, dass der tatsächliche Aufwand für die Errichtung des Bauwerkes von dem Vordersatz
         abweicht. In derart gestalteten Ausschreibungen sei es – wie mehrere Gutachter bestätigten – bran-
         chenüblich, dass mit Abweichungen bis zu einer Größenordnung von 30% zwischen der Schätzung der

         Stahlmenge und dem tatsächlichen Einbau zu rechnen sei.
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