Page 84 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Anforderungen an Baumsicherheitsgutachten
a. Das Gutachten als Entscheidungsgrundlage
Viele Baumeigentümer (Privateigentümer wie auch Behörden), denen es an eigener Sachkunde hin-
sichtlich der von Bäumen ausgehenden Gefahren mangelt, können vielfach nur mit Hilfe von Sach-
verständigengutachten ihre Entscheidungen treffen. Sie haben in der Regel allerdings auch keine
Möglichkeit, die Richtigkeit der Sachverständigengutachten zu überprüfen.
Gerade die Frage, ob der eingetretene Schaden bei einer Baumkontrolle vor dem Unfall hätte erkannt
werden können, wird von den Sachverständigen immer wieder anhand von erst nach dem Unfall gewon-
nenen Erkenntnissen beantwortet und führt daher oft zu einer unangemessenen Belastung des verkehrs-
sicherungspflichtigen Baumeigentümers. Darüber hinaus werden immer aufwändigere, kostenträchtige
Untersuchungsmethoden zu Lasten der Bäume eingesetzt, um den hohen Sicherheitsanforderungen zu
genügen, oder aber die Bäume werden eher als erforderlich aus Angst vor der Haftung gefällt.
Mit VTA sollte dann ein größeres Verständnis für das Lebewesen Baum geweckt und mehr Sicherheit
in der Beurteilung eines eventuellen Baumversagens erreicht werden. Nach anfänglichen Erfolgen mit
einer zunehmend baumfreundlichen Rechtsprechung wird jetzt genau das Gegenteil bewirkt. Es wird
ein uferloses Gefahrenbewusstsein geschaffen. Defekte werden aufgezeigt ohne ausreichende Einschät-
zung oder auch Begrenzung ihrer Gefährlichkeit, ohne Eingeständnis unseres immer eingeschränkten
Wissens über mögliche Reaktionen eines Lebewesens wie des Baumes, ohne Erforschung und Nachweis
der – oft langen – Zeiträume zwischen der Entstehung von Symptomen und dem Beginn einer konkreten
Gefahr. Die für die Rechtsfindung so wichtige Grenzziehung zwischen möglicher, also latent bestehender
Gefahr und einer bereits konkret eingetretenen Gefahr als unabdingbarer Haftungsvoraussetzung ist in
vielen Gutachten selbst namhafter Sachverständiger nicht einmal ansatzweise vorhanden.
Statt mehr Sicherheit in der Beurteilung entsteht mehr Unsicherheit bezüglich möglicher, vom Baum aus-
gehender Gefahren. Dazu trug auch die Zuspitzung des Methodenstreits über gegebenenfalls notwendige
eingehende Baumuntersuchungen bei. Opfer sind wieder die Bäume. Denn es kann keinen Zweifel daran
geben, dass beispielsweise die derzeit massive und mit kaum verhüllten Drohungen verbundene Forde-
rung nach einem sozusagen obligatorischen Einsatz messtechnischer Verfahren bei der Untersuchung von
ESD
2019