Page 81 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Lasteintrag gegen Null reduziert, es sind nur noch minimale Kraftflüsse vorhanden. An verschiedenste
mechanische Belastungen angepasste Gewebe werden schlagartig entlastet. Entlastung ist in diesem
Zusammenhang von negativer Bedeutung. Durch das Ausbleiben der gewohnten Kraftflüsse reduzie-
ren sich die mechanischen Wachstumsimpulse (erste Risse entstehen sofort), die gesamte Aktivität der
betroffenen Gewebepartien lässt nach, was biologische Anfälligkeit (Krankheit) begünstigt. Das Aus-
bleiben der vor der Kappung existierenden Druck-, Biege- und Torsionsbelastungen ist in erheblichem
Umfang an der Entstehung von Kambialnekrosen und umfassenden Holzabbau in den und unterhalb der
Kappungszonen beteiligt.
Die nach einer Kappung entstehenden obersten Reïterate erweisen sich häufig als bruchanfällig, weil
die strukturelle Verbindung zwischen diesen Neutrieben und dem tragenden Holzkörper (Stamm/
Stämmling/Ast) unzureichend ist. Ohne ausgeprägte Stamm-/Astkragen bleiben die mechanisch sichern-
den Wuchsleistungen unzureichend, das Reïterat kann sich nicht umfassend stabilisieren. Wird die
Zugbelastung (erzeugt durch zunehmendes Eigengewicht und zunehmende Windlast) nach außen, also
weg von der Schnittfläche zu groß, kommt es leicht zum Ausbrechen. Bruch begünstigend wirkt sich
zudem aus, dass das Fundament der Reïterate massiv angegriffen wird, durch Holzabbau. Dies ist ei-
ner der Fälle, in denen sich gute Vitalität negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken kann. Beein-
trächtigungen der Verkehrssicherheit durch die verursachten Schäden am Wurzelkörper werden
eventuell später relevant.
d. Kappung und gestalterische Folgen
Die Kappung von Bäumen führt immer unmittelbar und bleibend zu großen gestalterischen Einbußen,
gleichgültig ob es sich um einen Jung- oder Altbaum handelt. Da es bezüglich der Baumgestalt eine
durchaus allgemein empfundene Ästhetik gibt, ist es unzulässig in diesem Zusammenhang von
Geschmacksfrage zu sprechen.
Gekappte Bäume müssen stresshaft neue Triebe ausbilden, um zumindest teilweise biologisch zu kom-
pensieren. Dabei folgen sie nicht mehr ihrem ursprünglichen Verzweigungsschema; stattdessen entsteht
ein Reïterationswust, aber niemals wieder ein arttypischer Habitus. Reïterationskronen verschiedener
Baumarten ähneln sich aus der Distanz sehr, da die für die jeweilige Baumart typische Architektur und
das typische Verzweigungsmuster fehlen. Dies hängt damit zusammen, dass die Reïterate zeitgleich