Page 105 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Strafprozesse im Zusammenhang mit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen sind die
Ausnahme, aber derzeit häufen sich die Unfälle mit Personenschaden (z. B Fall Meschede, eine Rad-
fahrerin wurde von dem Astausbruch aus einer mächtigen Buche am Waldrand schwer verletzt und u.a.
der Waldeigentümer zum Schadensersatz verurteilt, OLG Hamm, Urteil vom 30. März. 2007 – 13 U
62/06 –, Breloer, AFZ-Der Wald 12/2007, 628 ff.; weitere Verfahren bei ähnlichen Unfällen mit schwer-
wiegenden Folgen sind inzwischen zugunsten des Verkehrssicherungspflichtigen entschieden worden.
(LG Saarbrücken, Urteil vom 3. März 2010 - 12 O 271/06 -, Breloer, AFZ-DerWald 13/2010, 52 und OLG
Hamm, Urteil vom 15. April 2010 - I-6 U 160/09-, Breloer, AFZ-DerWald 4/2011)
Kommt es nach den Baumkontrollen des Straßenwärters zu einem tragischen Unfall, bei dem unglück-
licherweise ein Mensch getötet wird, so wird die Staatsanwaltschaft mit Sicherheit ein Ermittlungsver-
fahren gegen den Straßenwärter einleiten, eventuell aber auch gegen den Vorgesetzten. Die Frage des
Umfangs der Baumkontrollen wird Gegenstand der Ermittlung sein. Wenn festgestellt wird, dass Baum-
defekte übersehen wurden und dies letztlich zu dem Unfall mit Todesfolge führte, wird weiter unter-
sucht werden, wieweit der Straßenwärter die Baumdefekte nach dem derzeitigen Stand der Technik und
Erfahrung grundsätzlich erkennen musste – dies ist die objektive Betrachtung der Verkehrssicherungs-
pflicht in dem betreffenden Fall – und auch erkennen konnte – das ist die subjektive und maßgebliche,
auf den Straßenwärter zugeschnittene Betrachtung in diesem Fall.
Wenn es sich um einen Baumdefekt handelte, dessen Gefährlichkeit erst kürzlich bekannt wurde, so wird
ebenfalls geprüft werden, ob der Straßenwärter dieses neue Wissen haben musste und auch haben konn-
te. Dazu gehört auch die Prüfung, ob dem Straßenwärter die Möglichkeit gegeben wurde, sich fachlich
fortzubilden, um auf dem derzeitigen Stand der Erfahrungen und Technik in Bezug auf die Baumunter-
suchung zu sein.
Die Ausbildung zum Zertifizierten Baumkontrolleur auf der Basis der FLL-Baumkon-
trollrichtlinien bietet diese Möglichkeit der Weiterbildung für alle Baumkontrolleure und
wird zurzeit verstärkt von den Straßenbaubehörden für ihre Baumkontrolleure in An-
spruch genommen. Die Zertifizierung wird unter anderem von der Landwirtschaftskammer Nord-
rhein-Westfalen – als der einzigen behördlichen Ausbildungsstelle – angeboten. (siehe Programm in
www.baumzentrum.de)