Page 109 - Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland
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Verkehrssicherungspflicht an Waldrändern*

         Urteil des OLG Koblenz
         Am 19. November 2012 erging ein Urteil, 12 U 794/11, des Oberlandesgerichts Koblenz zur Frage, wer
         die Verkehrssicherungspflicht für Waldbäume entlang von Straßen trägt. In diesem konkreten Fall wurde
         die Straßenbaubehörde nicht zur Verantwortung gezogen, weil der den Schaden verursachende Baum
         optisch nicht aus dem Bestand heraus stach. Somit ordnete das Gericht den Baum uneingeschränkt
         dem Wald, also nicht der Straße zu. In der Urteilsbegründung wurde andererseits deutlich gemacht, dass
         Straßenbaubehörden im Schadensfall mit in der Verantwortung stehen, sofern es sich um einen Baum
         handelt, der sich optisch vom umgebenden Waldbestand abhob, beispielsweise durch einen deutlichen
         Schrägstand oder eine auffallend schüttere Baumkrone.


         Verkehrssicherungspflicht bei Pappeln und anderen Weichholzarten*

         Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 6. März 2014, Aktenzeichen: III ZR 352/13

         Dieser BGH-Entscheidung lag ein Fall zugrunde bei dem ein belaubter Pappelast auf ein Fahrzeug gefallen
         war und dieses beschädigt hatte (Stichwort: Grünastbruch oder auch Sommerbruch grüner Äste). Der
         streitgegenständliche Ast wies keine bei einer Regelkontrolle feststellbaren Schadmerkmale auf. Der BGH
         stellte fest, dass die Beklagte ihren Verkehrssicherungspflichten nachgekommen, ihr nichts vorzuwerfen
         sei. Von besonderer Bedeutung dieses richtungsweisenden Urteils ist die Feststellung des Bundesgerichts-
         hofes, dass ein natürlicher Astbruch als naturgegeben anzusehen und daher als Lebensrisiko hinzuneh-
         men sei. Dieser Grundsatz gelte auch für Baumarten, die bekanntermaßen eher zu solchen Astbrüchen
         neigen (Weichholzarten), und dies gelte auch dann, wenn es bereits mehrfach zu derartigen Astbrü-
         chen gekommen sei. Hingegen gelte dieser Grundsatz nicht, wenn ein solcher Ast vor dem Bruch Schad-
         merkmale aufgewiesen habe, die im Rahmen einer Baumkontrolle als solche erkennbar waren. Der BGH
         verneint in diesem Urteil eine besondere Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, die bekanntermaßen
         eher zu natürlichem Astbruch neigen. Solche Bäume müssen demnach nicht häufiger oder aufwändiger
         kontrolliert werden als andere. Auch gibt es keine Verpflichtung, Baumkronen dieser Arten vorsorglich
         einzukürzen oder gar Bäume komplett zu entfernen.


         * Texte von Marko Wäldchen, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, FLL-Regelwerksausschussmitglied Baumkontrollen/
         Baumuntersuchungen, Mitbegründer des BAUMZENTRUM’s, langjährige Zusammenarbeit mit Helge Breloer
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